In „Bleiche Mutter“ greift IRRLÆUFER auf ikonische Bildwelten Albrecht Dürers zurück – insbesondere auf dessen Darstellungen der Maria mit dem Kind – und verwandelt sie in eine düstere, zeitgenössische Vision. Der Linoldruck zeigt eine skelettierte Muttergottes, die ein ausgemergeltes Kind im Arm hält. Das Jesuskind, das in der traditionellen Ikonografie Hoffnung und Erlösung symbolisiert, wirkt hier verhungert, erschöpft – und hält eine Bibel in den Händen, die ihm keinen Trost und keine Nahrung bietet. Sie wird zum Sinnbild geistiger Leere, eines Glaubens, der nichts mehr zu retten vermag.

Die Komposition bleibt der Strenge und Symmetrie Dürers verpflichtet: die Strahlenkrone, der Halbmond, die erhabene Pose. Doch IRRLÆUFER entzieht dem Motiv seine göttliche Reinheit und legt stattdessen die Zerbrechlichkeit des Heiligen offen. Aus der „Madonna mit Kind“ wird eine „Memento-Mori-Mutter“ – eine Allegorie auf den Verfall religiöser und moralischer Gewissheiten.

In der feinen, kontrastreichen Linienarbeit des Linoldrucks entsteht ein Spannungsfeld zwischen Verehrung und Kritik, zwischen Glaube und Verwesung. „Bleiche Mutter“ ist keine Blasphemie, sondern eine Meditation über die Endlichkeit des Göttlichen im Angesicht menschlicher Not.

IRRLÆUFER erschafft hier ein Bild, das zwischen Andacht und Abgrund oszilliert – eine stille Ikone der Erschöpfung, die fragt, ob Erlösung noch möglich ist, wenn selbst die Heiligen verhungern.

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